2022: Kambodscha

Jahr:
2022
Land:
Kambodscha
Universität:
München

2022: Kambodscha

Von: Amanda Urban

Universität: München

Wie kamen wir auf die Idee eine Auslandsfamulatur zu machen? Im ersten Semester veranstaltete die LMU München einen Famulaturabend. Unsere Kommiliton/-innen teilten ihre Erfahrungen die sie in den Famulaturen sammelten. Dabei erfuhren wir wie man eine Auslandsfamulatur plant und was wir davon erwarten konnten. Je nach Projekt ist es möglich eine Famulatur allein zu machen, allerdings macht es mehr Spaß dieses Vorhaben mit einem befreundeten Kommilitonen zu planen. Schnell war uns klar, dass wir zu späterem Zeitpunkt im Klinischen Abschnitt des Studiums ebenfalls eine solche Famulatur absolvieren möchten.


Warum Kambodscha?
Auf der Homepage des ZAD erhielten wir eine Liste mit Telefonnummern und Emailadressen zahlreicher Hilfsprojekte weltweit. Da wir keinerlei Präferenz hatten bzgl. des Reiseziels und
um die Chancen auf eine Zusage zu erhöhen, bewarben wir uns bei ca. 30 Projekten. Unsere erste Zusage erhielten wir vom Projekt Cambodia World Family in Phnom Penh. Wir hatten seit dem ersten Schriftwechsel das Gefühl, dass wir es mit einem zuverlässigen Ansprechpartner zu tun hatten. Wir erhielten ein Factsheet über das Projekt in Phnom Penh und bekamen dadurch eine gute Vorstellung davon was uns erwarten würde. Wir sagten also zu und hatten 6 Monate Zeit, um Spenden von Dentalfirmen zu sammeln, Flüge und eine Unterkunft zu buchen.

Vorbereitungen (Flug, Unterkunft, Spenden)
Erst als wir uns auf das Projekt Cambodia World Family festlegten, buchten wir die Flüge über das Reisebüro STA Travel. Unsere Flüge führten mit Thai Air über Bangkok nach Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. Für unsere Spendenplanung erhielten wir von unserem Ansprechpartner eine Liste mit benötigten Materialien. Wir wussten, dass wir Firmen gezielt mit der Bitte um eine Spende von Glasionomerzement, Bonding, Handschuhen, Arbeitskleidung, Komposit und Lokalanästhetika anschreiben sollten. Wir erstellten eine Liste mit Dentalfirmen die für die jeweiligen Produkte in Betracht kamen. Den meisten Firmen schrieben wir Emails, vereinzelt versuchten wir es aber auch mit einem Telefonat. Natürlich können nicht alle Firmen spenden, da diese täglich viele Spendenanfragen erhalten. Wir gaben uns also Mühe unser Famulaturvorhaben kurz und präzise zu formulieren und streuten unsere Anfragen breit.

Unsere Bemühungen sollten Früchte tragen. Von Kulzer erhielten wir Komposite und drei Karpulenspritzen mit Nadeln für Leitungsanästhesie und Infiltrationsanästhesie. Leider dürfen die Firmen keine Lokalanästetika aufgrund der Verschreibungspflicht spenden. Wir lösten das Problem, indem wir einen Spendenaufruf an meine Freunde starteten und mit dem gesammelten Geld Lokalanästhetika über die Praxis unserer Kommilitonin, in der sie als ZFA arbeitet, bestellten. Wir entschieden uns für Ubestesin 1:200000. Handschuhe, Zahnbürsten, Mundschutz und OP-Hauben erhielten wir von Henry Schein, unserem Dentaldepot der LMU München. Von unserer Materialausgabe bekamen wir GIZ- Kapseln und Lokalanästhetika. Kasaks und OP-Hosen wurden uns in den Größen S,M und L von der Firma 7days gesponsert. Purell schickte uns großzügig Händedesinfektionsmittel in 500ml Flaschen. Von Frasaco bekamen wir Matritzenbänder aus Kunststoff und Stripkronen, die sich in der Kinderzahnheilkunde als vorteilhaft erweisen.

Unsere Fachschaft stellten uns freundlicherweise Zahnpasten, Sauger und Mundschutze zur Verfügung. Mit dieser Ausbeute konnten wir guten Gewissens in das Abenteuer Auslandsfamulatur starten.

Was durften wir behandeln?
Die Kinder die wir behandelten, kamen größtenteils aus Schulen in Phnom Penh. Cambodia World Family betreut Kinder und Jugendliche aus ca. 65 Institutionen in Phnom Penh. Neben den Schulen behandelten wir Jugendliche aus Waisenhäusern. In puncto Prophylaxe bestand aufgrund von Zahnstein und Gingivitis erhöhter Behandlungsbedarf in Form von Schallscaling und Zahnreinigung. Leider wiesen die Kinder der Schulen ein erhöhtes Kariesrisikio im Wechselgebiss auf. Einige Zähne konnten wir mittels Kompositfüllungen versorgen. Leider waren u.a. die 6-Jahr-Molaren tief kariös zerstört, teilweise mit Pulpenbeteiligung. In einigen Fällen waren direkte und indirekte Überkappungen mit Kalziumhydroxid angezeigt. In den Fällen in denen wir die Pulpa im Kariösen eröffneten, extrahierten wir die Zähne. Leider fehlte uns die Infrastruktur, um den Zähnen mit einer Wurzelkanalbehandlung einen Erhaltungsversuch zu geben. Wir hatten weder Röntgen noch Apexlokator vor Ort und Dr. Boran, unser zahnärztlicher Supervisor, riet uns in entsprechenden Fällen zur Zahnextraktion. Die Kinder brachten uns gegenüber großes Vertrauen auf und wir waren stolz wie tapfer die Kinder die Behandlungen über sich ergehen ließen. Milchzähne versorgten wir mit Glasionomerzementfüllungen, wenn wir ihre Verweildauer bis zum Durchbruch der bleibenden Zähne als kurz einschätzten. Frisch durchgebrochene 6-er und 7-er versiegelten wir mit dünnfließendem Kompost im Sinne einer Fissurenversiegelung. Vereinzelt führten wir erweiterte Fissurenversiegelungen durch. Frontzahnextraktionen vermieden wir und schlugen den Betreuern bzw. den Lehrern der Kinder eine endodontische Behandlung in einer Privatpraxis vor. In 22 Behandlungstagen führten wir pro Kopf ca. 50 Füllungen, 40 Zahnextraktionen, 30 Zahnreinigungen und 50 Fissurenversiegelungen durch und konnten damit unsere Fertigkeiten verbessern und Entscheidungsfähigkeit schulen.

Supervisor und Assistenz
In grenzwertigen Fällen konnten wir unsere beiden Supervisoren Dr. Boran aus Kambodscha und Dr. Tom aus England fragen. Immer wenn wir zwischen zwei Behandlungsoptionen
schwankten, zogen wir einen der Beiden zu Rate. Außerdem beobachteten uns die Supervisoren und ermutigten uns bei der Zahnextraktion, die wir bis dato in der Uni nur vereinzelten durchgeführt hatten. Zu wissen, dass wir Entscheidungshilfe bekommen konnten, gab uns Sicherheit und dieses Gefühl konnten wir wiederum an die Kinder weitergeben. Weiter unterstützt wurden wir von unseren aufmerksamen Assistentinnen. Sie halfen uns bei der Auswahl der vorhandenen Materialien, bei der Übersetzung und natürlich bei den Behandlungen.

Freizeit und Wochenendausflüge
Unsere Arbeitszeit war von Montag bis Freitag von jeweils 8.00 -12.00 angesetzt. Da wir nur halbtags arbeiteten, hatten wir genug Zeit, um auch unter der Woche die Hauptstadt kennenzulernen. Nach einer kurzen Mittagspause machten wir uns ausgeruht und satt nachmittags oft auf den Weg ins Zentrum, um Märkte, Malls, Tempel und Restaurants aufzusuchen. Besonders in Erinnerung werden wir die sogenannten Killing Fields behalten, die wir besuchten, um auch die düstere Geschichte Kambodschas kennenzulernen. Zwischen 1975 und 1979 regierten die roten Khmer, ein totalitäres kommunistische Regime, die etwa die Hälfte der Bevölkerung grausam ermordeten. Für die Massenhinrichtungen wurden Killing Fields errichtet, eines der bekanntesten davon befindet sich im Süden von Phnom Penh.

Phnom Penh ist eine geschäftige Stadt und wir fanden an fast allen Straßenecken Möglichkeiten zu Essen. Von einem Kulturschock zu sprechen ist sicherlich in vielerlei Hinsicht keine Übertreibung. Spätestens bei Sauberkeit und Müllentsorgung wird der Kontrast zu deutschen Städten deutlich. Um von A nach B zu kommen nutzten wir meistens die App „Grab“, die den Transport mit den dreirädrigen TukTuks vermittelt. An den Wochenenden besuchten wir zwei Küstenorte (Kampot und Kep) und die Tempelanlagen um Siem Reap, Unesco Weltkulturerbe. Mit neuen Eindrücken und geladenen Akkus konnten wir wieder in eine neue Arbeitswoche starten.

Zusammenfassung
4 Wochen Auslandsfamulatur erfordern Vorbereitung. Diese beinhalten das Sammeln von Spenden, das Beantragen eines Visums, den Abschluss einer Auslandsreisekrankenversicherung, Impfungen und das Buchen der Unterkunft. Man sollte vorab einen Antrag auf den Reisekostenzuschuss stellen. Eine verbindliche Kommunikation mit dem Projekt ist wichtig. Im Gegenzug darf man Teil eines sinnstiftenden Projekts werden und fachliche Fähigkeiten verbessern. In der Regel stehen die Wochenende zur freien Verfügung und geben einem die Gelegenheit das Land kennenzulernen. Wir können eine Auslandsfamulatur von ganzem Herzen weiterempfehlen.

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