Jahr:
2022
Land:
Indien
Universität:
Jena

2022: Indien

Universität Jena

Bereits in den vorklinischen Semestern hörte ich zum ersten Mal von der Möglichkeit eine Famulatur im Ausland absolvieren zu können. Mein Interesse war dann allerdings nur kurzzeitig geweckt, da es sehr schnell unter dem ganzen Lern- und Prüfungsstress in den ersten Semestern wieder verschwand. Als ich mir mit einer meiner Kommilitonin nach erfolgreichem Physikum nach dem 5. Semester eine Auszeit in der Dominikanischen Republik gegönnt hatte, ist uns erstmals wieder der Gedanke an eine Famulatur gekommen. In diesem Urlaub ist  so die Idee, solch eine eigene Erfahrung erleben zu wollen, erneut geboren. Nach langem Überlegen und Abwegen, in welche Region wir gern reisen würden, haben wir uns schlussendlich für Indien entschieden. Zum einen deshalb, da wir wahrscheinlich niemals aus privaten Gründen nach Indien reisen würden und zum anderen der Corona-Pandemie geschuldet. Denn genau zu dieser Zeit haben etliche Organisationen im Ausland keine Einsätze geplant und unsere Anfragen daher direkt abgelehnt. Mit der „Bright Mountain Dental Clinic“ in Ladakh, ganz im Norden Indiens, haben wir allerdings eine Organisation gefunden, die uns trotz weltweiter Pandemie diese Erfahrung ermöglichen wollte. Einmal die Entscheidung getroffen und es ging alles superschnell und komplikationslos. Es hatte sich dann noch eine Dritte Kommilitonin angeschlossen.

Wir nahmen über das Internet Kontakt mit dem Chef der Organisation auf. Dies war ein Zahnarzt aus Stuttgart, der vor einigen Jahren mit einem Zahnarzt dort aus Indien die Zahnklinik in
Choglamsar aufgebaut hatte. Die gesamte Organisation im Vorfeld verlief ziemlich einfach. Der Zahnarzt aus Stuttgart hatte so gut wie die gesamte Planung für uns übernommen. Er wählte sowohl Unterkunft als auch die Flüge für uns und gab uns nötige Tipps für die Reise und dem Aufenthalt während unserer Famulatur, da er selbst jedes Jahr dort hinreiste. Wir mussten uns also nirgends wochenlang vorher bewerben oder etliche Anträge ausfüllen. Das Einzige, worauf wir persönlich noch achten mussten, waren die nötigen Impfungen, die kein
Muss, aber eine Reiseempfehlung waren, sowie eine Berufshaftpflicht-Versicherung, die wir vorsichtshalber im Vorfeld abgeschlossen hatten.

Wir entschieden uns dafür, ganze 4 Wochen vor Ort in Indien und auf dem Rückweg nochmals 2 Tage in Delhi zu bleiben. Ob Indien die beste Idee gewesen war? Wir wusstes es nicht, aber die Vorfreude war dennoch groß. Am 27. August 2022 ging es los. Als wir nach langer Anreise am Flughafen in Ladakh ankamen, wurden wir super herzlichst vom indischen Zahnarzt namens Kunsang in Empfang genommen. Wir hatten bereits einmal vorher mit ihm einen Videoanruf gemacht, man kannte sich also bereits flüchtig. Direkt am nächsten Tag haben wir die Zahnklinik besucht, die nur 10min zu Fuß von unserer Unterkunft, dem „Buddha Garden“, entfernt war, um all unsere Spenden abzugeben, die wir im Vorfeld organisiert
und mitgebracht hatten. Die ersten Tage waren für uns zur Eingewöhnung und Akklimatisierung nötig, da wir uns dort auf 3500m Höhe befanden. Die Sonne schien dort stark und jeder Schritt war anfangs mühsam. Doch nach gut einer Woche hatten wir uns alle 3 daran gewöhnt.

All unsere Sorgen erwiesen sich bereits in den ersten Tagen als unbegründet, denn wir fühlten uns zu jedem Zeitpunkt des Aufenthaltes in Indien vollkommen sicher. Das wohl „Gefährlichste“ waren die Hundebanden, die sich dort nachts versammelten, um ihre Reviere zu beschützen. Ebenso dauert es einige Tage sich an die freilaufenden Kühe zu gewöhnen. Aber bereits nach kurzer Zeit war auch das Alltag für uns. Die Menschen dort waren alle stets herzlichst und haben uns den Aufenthalt in Indien wirklich angenehm gemacht.

Allerdings hatte sich dann auf einmal das Blatt zum Negativen gewendet und es verlief nicht mehr so, wie gedacht. Geplant war, dass wir unter der Woche in der Zahnklinik arbeiten und eigene Patienten behandeln werden. Doch bereits nach einer Woche stand die örtliche Polizei vor der Tür und verbat uns das Behandeln in der Zahnklinik, da wir nur als approbierte Zahnärzte dazu berechtigt sind. Das war neu dort, denn vor ca. 2 Jahren gab es in dieser Region ein Regierungswechsel, der viele neue Gesetzmäßigkeiten mit sich brachte, die leider nicht zu unseren Gunsten waren. Das war wirklich schade. Allerdings hatten wir noch die Möglichkeit eigen organisierte „Dental-Camps“ durchzuführen, in denen wir dann doch noch behandeln und eigene Erfahrungen sammeln konnten. Diese Camps haben wir vor allem im Kloster durchgeführt und sie bestanden nur aus Extraktionen. Patienten waren demnach Mönche und Nonnen, die größtenteils zuvor noch nie bei einem Zahnarzt waren. Dementsprechend war viel Behandlungsbedarf. Ich persönliche erhoffte mir mit dieser Famulatur sowieso, die meiste Erfahrung im chirurgischen Bereich sammeln zu können, da Zähne ziehen nicht Teil der Grundausbildung im Studium war. Vom Ablauf war es allerdings nicht mit deutschem Standard zu vergleichen. Der Behandlungssaal war ein gemeinnütziger großer Raum mit einigen Tischen und Plastikstühlen, die kurzerhand zu Behandlungsstühlen  umfunktioniert wurden. Einen Warteraum oder ein Bestellbuch gab es nicht. Die Patienten kamen und gingen, wie Ihnen danach war. War ein Patient fertig mit der Behandlung, setzte sich der Nächste auf den Stuhl. Sprachkenntnisse mussten wir im Vorfeld nicht erlernen. Mit dem Zahnarzt haben wir uns die ganze Zeit auf englisch unterhalten. Die Patienten konnten in 99% der Fälle kein englisch sprechen. Entweder man hat sich mit Hand und Fuß verständigt, oder Kunsang spielte den Übersetzer für uns.

Während der Dental Camps durften wir komplett allein behandeln und haben nur bei Not um Hilfe gebeten. Mit jedem weiteren gezogenem Zahn hatte man gefühlt, wie es einem besser gelang. Die Menschen dort waren sehr arm und besaßen teilweise nicht mal eine Zahnbürste. Neben Zähne ziehen haben wir auch viel Aufklärungsarbeit geleistet, um die Mundhygiene dort etwas verbessern zu können. Wir schenkten ihnen sogar Zahnbürsten, die wir aus Deutschland mitgebracht haben. Die Arbeit mit den Mönchen und Nonnen machte uns super viel Spaß. Auch wenn sie nicht unsere Sprachen konnten, gaben sie uns mehrfach zu verstehen, dass sie uns sehr dankbar dafür waren, dass wir diese weite Reise auf uns nahmen, um ihnen zu helfen.

Die Zeit, die wir nun nicht mehr in der Zahnklinik verbringen konnten, haben wir dann dafür genutzt, Land und Leute besser kennenzulernen. Wir sind sehr viel umhergereist und haben
Indien in seinen schönsten Facetten kennengelernt. Wir waren erstaunt, welch wunderschöne Natur teilweise hinter Indien steckte. Wir sind unter anderem an den Tsokar-See, den Tsomoriri-See und dem Pangong-See gefahren.

Ebenso sind wir mit einem Auto den „Kardung-La“ Pass hochgefahren und dann mit Mountainbikes wieder runtergerollt. Wir lebten teilweise inmitten der Einheimischen mitten im Himalaya-Gebirge und wurden stets herzlich aufgenommen. Die Leute dort waren teilweise richtig arm und gaben einen trotzdem das Gefühl, willkommen zu sein. Für uns wäre ein Leben dort teilweise nicht vorstellbar gewesen. Wir haben sowohl zahnmedizinisch als auch menschlich sehr viel dazu lernen können.

Die letzten 2 Tage in Delhi haben wir nochmal als Kulturschock und Abschluss der ganzen Reise mitgenommen. Eine Stadt, die nie schläft und in der man genau das findet, was man
immer von ihr zu hören bekommt. Wir wussten nicht, welche Eindrücke wir zuerst verarbeiten sollten. Um zu verstehen, was ich meine, muss man einfach selbst mal vor Ort gewesen sein. Am letzten Tag haben wir noch das Taj Mahal in Agar besucht. Ein Muss für uns, wenn man in Delhi ist.

Insgesamt waren die 4,5 Wochen in Choglamsar eine unglaublich lehrreiche und beeindruckende Zeit, an die ich mich immer gerne zurück erinnern werde.

Vielen Dank an alle, die mir dies ermöglicht und die Zeit unvergesslich gemacht haben! Ich würde es jedem, der die Möglichkeit hat, so eine Erfahrung erleben zu dürfen, wärmstens
empfehlen. Natürlich gibt es während so einer langen Reise Höhen und Tiefen, aber ich für mich kann behaupten, dass die schönen und ereignisreichen Dinge überwiegen und für im
Kopf bleiben werden.

Bei Fragen oder Interesse bezüglich einer Famulatur in Indien kontaktiert mich gern
(charlotte.wojna@uni-jena.de)

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