Gambia - 2020

Jahr:
2020
Land:
Gambia
Universität:
Aachen

Das Wichtigste auf einen Blick - Infos zu Gambia

Leider liegen zurzeit keine Informationen vor.

1.  In welchem Land hast du famuliert? Name und Kontaktdaten der Organisation?

2. Wie lange haben deine Vorbereitungen in Anspruch genommen? Was musstest du vorher alles organisieren?

3. Wird ein Visum benötigt? Wenn ja, wie teuer?

4. Probleme mit Spenden und dem Zoll/der Fluggesellschaft? Tipps?

5. Welche Sprache(n) sind ein Muss? Gab es Übersetzer vor Ort?

6. Was waren deine Aufgaben in dem Projekt? Welche Behandlungsstationen hast du durchlaufen?

7. Wie viel Geld hast du für welche Dinge ausgegeben (kurze Kostenübersicht)?

8. Generelle Tipps für zukünftige Bewerber? Was hättest du vor Deiner Reise besser gewusst?

Von: Maike Sahle, Sophie Brink und Lisa Ponke (Universität Aachen)
Organisation: REMIS Health-Centre
Zeitraum: 26.02.20 - 23.03.20

Wir sind drei Freundinnen aus Aachen, die eine eindrucksvolle Zeit im Rahmen einer zahnmedizinischen Famulatur in Gambia verbracht haben (Zeitraum vom 26.02. bis 23.03.2020). Wir hatten schon länger den Wunsch noch während des Studiums eine Famulatur im Ausland anzutreten, um ein neues Land, dessen Menschen und Kultur kennenzulernen, um die medizinische Versorgung in einem Entwicklungsland zu unterstützen und uns selber fachlich bzw. praktisch weiterzubilden.

Über eine Kommilitonin, die bereits nach dem Abitur in Gambia freiwillig als Englisch und Deutschlehrerin arbeitete, stellten wir den Kontakt zu Uwe Beckers her. Uwe lebt seit circa zwanzig Jahren halbjährig in Gambia, hat dort eine Grundschule mit 450 Schülern aufgebaut, geheiratet und zwei süße Kinder bekommen. Uwe war von Anfang an unser Ansprechpartner. Bei ihm zu Hause in Gambia haben wir gewohnt und er hat eigentlich unsere gesamte Famulatur und Freizeit vor Ort organisiert. Über ihn wurden wir auch zum Remis Health Centre Köln Darsilami vermittelt. Diese Organisation wird von einem deutschen Verein finanziert und hat ein Krankenhaus in Darsilami aufgebaut, wo eben auch in einem Container als Gebäudeanbau eine zahnmedizinische Behandlungseinheit integriert ist.

Als Vorbereitung haben wir uns mit Uwe und einem Organisator des Remis Health Centre Wolfgang Dahl in Essen getroffen, uns ausgetauscht und sofort unsere Famulatur geplant. Ein Jahr vor der Abreise hatten wir also gebuchte Flüge in die Hauptstadt Banjul und fingen an Firmen wegen Spenden anzuschreiben. Im Sommer 2019 wurde von Uwe ein Container nach Gambia verschifft, sodass wir hunderte Handschuhe und zahnmedizinisches Equipment (Mundschutz, Kasacks bzw. Arbeitskleidung, Anästh esien, chirurgische Instrumente, Glasionomerzemente etc.) nicht mit in unserem Koffer transportieren mussten, sondern dies bereits vor Ort war als wir ankamen. Zusätzlich fand ein Treffen mit einem deutschen Zahnarzt statt, der jenen Container selbst ausgestattet hatte und auch zu der Zeit unserer Famulatur vor Ort war. Allerdings reiste dieser verfrüht wegen der Corona Pandemie ab, sodass wir ausschließlich mit den gambischen Zahnärzten gearbeitet haben. Ein gambischer Zahnarzt ist im Übrigen nicht studiert, sondern hat eine Ausbildung gemacht und arbeitet eher nach dem Prinzip “learning by doing” als mit einem akademischen Hintergrund. Der deutsche Zahnarzt hat aber einiges Wissen an diese beiden vermitteln können.

Als weitere vorbereitende Maßnahmen vor der Famulatur sollte man sich natürlich auch bezüglich Impfungen, passender Kleidung, Reiseapotheke, Moskitoschutz, Visum etc. informieren. Auch besonders im Hinblick auf Sicherheit und Rückholmöglichkeiten bei nationalen und internationalen Problemen wie bei der Corona Pandemie, ist es sinnvoll sich beim Auswärtigen Amt (www.elefand.de) zu registrieren. Fachlich haben wir vorher Schmerzmittel und Antibiotikagabe, Injektionstechniken und Anästhesiedosierungen auch bei Kindern sowie chirurgische Operations und Nahttechniken wiederholt.

Am 26.02.2020 ging dann also unser Flug nach Banjul und wir wurden herzlich von Uwe und seiner Familie und Freunden empfangen. Auf Uwes Grundstück arbeiten Köchinnen, ein Gärtner und zwei Fahrer, welche aber alle einen Teil einer großen Familie darstellen. Uwe ist ein sehr offener Mensch, sodass auch drei Mädchen aus dem umliegenden Dorf regelmäßig mit uns spielten, und dort, im Gegensatz zu deren Elternhaus, regelmäßig etwas zu Essen bekamen. Wir unterhielten uns hauptsächlich auf Englisch und Deutsch, wobei die Gambier mehrere eigene Sprachen haben. Schnell lernten wir auch einige Begriffe auf der am häufigsten verwendeten Sprache Mandinka (hinsetzen, Mund auf, zubeißen), die uns bei unserer Behandlung ein wenig halfen.
 
Wir drei haben im Gästehaus geschlafen, hatten ein eigenes Bad und Wohnzimmer und eine Terrasse, die mitten im Geschehen am Hof war und auf der wir häufig Gesellschaftsspiele gespielt haben. Uwes Haus hat alles was man benötigt. Es ist sowohl dauerhaft Strom und mehrere Stunden Wlan am Tag über Solaranlagen als auch gereinigtes Wasser aus dem hauseigenen Brunnen vorhanden (dennoch haben wir darauf geachtet, Leitungswasser nicht zu trinken, sodass wir auch unsere Zähne mit Flaschenwasser putzten). Zusätzlich bekamen wir täglich extra für uns gekochtes Essen, weil es in Gambia üblich ist mit seiner Familie einen großen Topf zu teilen aus dem jeder mit der Hand isst. Wir Europäer ließen uns unseren Reis mit viel Gemüse und Hähnchen oder köstlichem frischen Fisch gerne am gedeckten Tisch mit Besteck schmecken. Das Essen war sehr lecker und es hat uns nie an etwas gemangelt.
 
Nach der Erstellung eines Behandlungsplans starteten wir auch schon mit unserer Hauptaufgabe für die nächsten Wochen. Wir besuchten vier Kindergärten in der Umgebung von Brikama und auch Uwes Schule. In der Regel kontrollierten wir am ersten Tag die Kinder, führten Mundhygieneinstruktionen und Ernährungsberatung durch und notierten uns, wer zu einer Behandlung wiederkommen soll. In den Kindergärten hatten viele Kinder zufriedenstellende Zähne, weil sie teilweise eine Zahnbürste vor Ort besaßen und gemeinsam nach dem Essen putzten. Dennoch stellten wir fest, dass es nicht normal ist eine Zahnbürste zu haben, sodass wir rund einhundert Stück verteilten, damit die Kinder nicht auf Mundhygiene verzichten bzw. diese mit einem geschnitzten Stöckchen durchführen müssen.
 
Am zweiten Tag wurde dann die Behandlung meistens in der Aula durchgeführt. Vereinzelt entfernten wir nur Zahnstein oder legten Füllungen aus GIZ, aber die Extraktion besonders von Milchmolaren und nicht bleibenden OK Frontzähnen war oft unausweichlich. Wir behandelten immer drei Kinder gleichzeitig, was sich manchmal als Herausforderung herausstellte, weil die Kinder teilweise sehr große Angst vor Spritzen hatten und auch nicht vollständig auf Englisch verstanden, dass die Anästhesie gegen Schmerzen hilft und der Piecks das Schlimmste an der ganzen Sache ist. Daher stellten wir leider manchmal fest, dass wenn ein Kind vor Angst weinte, die anderen beiden mit einstiegen. Nach der Extraktion war aber wieder alles in Ordnung und sie konnten uns lachend ihr Lückengebiss präsentieren. Unser Zahni Herz blutete natürlich vereinzelt als wir Reste von bleibenden Zähnen bei den Kindern extrahieren mussten. Auch die GIZ Füllungen waren relativ unbefriedigend und wir hätten lieber Kompositfüllungen gelegt, was allerdings aufgrund mangelnder Adhäsivsysteme und UV Lampen nicht möglich war. Wir trafen auch auf Syndromkinder mit deformierten Schädeln und Zähnen sowie auf Patienten mit erschwertem Zahndurchbruch, was sehr interessant war, wo allerdings keine Behandlung möglich erschien.
 
Unsere räumliche Ausstattung in den Kindergärten bestand aus drei Tischen und Stühlen, die in der Aula aufgebaut wurden, sowie einem Ausspuckeimer und einem Mülleimer. Die Instrumente wurden in zwei Eimern mit Wasser und Spülmittel und einer Zahnbürste gereinigt. Auf diese Weise untersuchten wir rund 900 Kinder und zum Ende des Tages kamen natürlich auch die Lehrer mit Zahnschmerzen an die Reihe. Nach zwei Tagen haben wir dann auch aufgehört zu zählen wie viele Zähne wir bereits gezogen hatten. Dies alles erlebten wir mit der Zahnarzthelferin Marie, die uns in der Zeit auch sehr ans Herz gewachsen ist. Sie hat zwar nicht die Ausbildung als Zahnarzt, war praktisch und theoretisch aber genauso fit. Sie unterstützte uns tatkräftig, auch wenn sich der Wurzelrest mal nicht mit dem Hebel bewegen ließ. Ansonsten verteilte sie die Medikamente an die Kinder, wobei wir darauf achteten, dass keine Unmengen Ibus herausgegeben wurden (besonders nicht bei lockeren Milchzähnen). Die Gambier erwarten nämlich bei einem Arztbesuch mindestens Tabletten verschrieben zu bekommen, sodass wir viel Vitamin B Komplex herausgaben.
 
Unsere Arbeitszeiten waren sehr entspannt. Wir waren meistens von 9-14 Uhr in den Kindergärten und wurden in der Regel nach gambischer Pünktlichkeit (plus eine Stunde) von einem Fahrer abgeholt. Vereinzelt arbeiteten wir am Nachmittag im Container des Remis Health Centres mit dem gambischen Zahnarzt Dave. Hierher kamen hauptsächlich Erwachsene mit extraktionswürdigen Zähnen. Wir stellten schnell fest, dass die Extraktion eigentlich immer das Mittel der Wahl war. Endos werden gar nicht gemacht, wir vermuten einerseits wegen des fehlenden Wissens der Ärzte vor Ort und andererseits wegen fehlender Ausrüstung (es ist kein Röntgengerät vorhanden). Die Zahnmedizin im Allgemeinen ist hier also sehr Chirurgie lastig, was unserem Wissensstand natürlich nicht entspricht. Dennoch stößt man bei Versuchen der Aufklärung in Bezug auf konservierende und endodontische Behandlungen auf wenig Verständnis. Die Möglichkeiten sind dort aber auch begrenzt, was das Material angeht. Die Behandlungen im Krankenhaus gleichen eher denen eines zahnmedizinischen Notdienstes. Den Patienten wird geholfen, indem der akut schmerzende Zahn entfernt wird, eine ganzheitliche Behandlung wird hier aber nicht angestrebt. Generell wurde uns in Gambia gelehrt, dass man mehr improvisieren statt organisieren solle, wodurch man aber lernt selbstständig zu arbeiten, Entscheidungen zu treffen und diese dann auch durchsetzt. Wichtig ist es außerdem stets in Ruhe und bedacht zu arbeiten, um sich und andere nicht zu stechen oder Ähnliches.
 
Unsere Freizeit verbrachten wir mit Uwe, seiner Familie und Freunden sowie mit drei weiteren Medizinstudenten, einer Psychologiestudentin und einer Augenärztin aus Essen, welche auch bei Uwe wohnten. Wir haben uns mit der Gruppe sehr gut verstanden und hatten viel Spaß. Weil wir dann auch allgemeinmedizinisch breit aufgestellt waren, kam täglich ein Notfallpatient aus dem benachbarten Dorf in Uwes Haus und wir halfen so gut es ging. Da wurden natürlich auch morgens nach dem Frühstück mal Wurzelreste auf der Terrasse gezogen. Dabei konnte man das Vertrauen in unser Können und viel Dankbarkeit seitens der Menschen spüren. Gambia an sich bietet sehr schöne Strände, Naturparks und diverse Märkte. Wir machten daher Flusstouren über Ausläufer des Gambia River, Wanderungen durch die beeindruckenden Mangroven Wälder, pflückten und rösteten Cashew Kerne, beobachteten Affen und seltene Vögel und lernten die heimische Buschmedizin während einer Jungletour kennen. Wir wurden von den Einheimischen stets freundlich aufgenommen, auf Dorffeste und private Feiern eingeladen und man konnte die Lebensfreude und Willkommenskultur stetig spüren. Im Laufe der Wochen trafen wir außerdem auf andere Freiwillige aus Deutschland, mit denen wir uns gerne ausgetauscht haben.
 
Wegen der Corona Pandemie haben wir in der letzten Woche nicht mehr behandelt, weil die gambische Regierung die Schulen und Kindergärten schloss. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwar nur einen bestätigten Corona Erkrankten, die Dunkelziffer wird allerdings viel höher gewesen sein. Die Flüge wurden folglich nach und nach storniert, sodass es ab einem gewissen Punkt für uns nicht mehr absehbar war wann wir nach Hause fliegen konnten. Wir minimierten unsere Ausflüge daher und setzten uns selbst mit den anderen Studenten und Familienmitgliedern in Quarantäne. Unser ursprünglicher Rückflug am 27.03.2020 fand nicht statt, sondern wir flogen bereits am 23.03. über das Rückholprogramm des Auswärtigen Amtes zurück nach Deutschland, was reibungslos funktionierte. Wir haben uns zu jedem Zeitpunkt sicher gefühlt und sind Uwe sehr dankbar für die hervorragende Betreuung. Unsere Angehörigen zu Hause waren sicherlich besorgter, aber wir hatten alles was wir brauchten, lagen in der Sonne, konnten entspannen, hatten genug Essen und auch Klopapier (in Gambia benutzen eh alle Duschen).
 
Jedem der auch erwägt eine Famulatur in Gambia zu starten, empfehlen wir bei Uwe zu wohnen. Ihr könnt euch sicher gerne bei ihm oder seinem Freund und Co Organisator Markus Jung, den wir auch kennen lernen durften, melden. Kontakt könnt ihr über die Internetseite oder die Facebookseite der Emma Christine Grundschule in Gambia aufnehmen. Wir durften in Gambia also eine wunderbare Zeit verbringen, die wir nie vergessen werden und konnten unseren Horizont sowohl fachlich als auch persönlich erweitern.

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